The Kindness of Strangers

Eine junge Mutter am Rande des Nervenszusammenbruchs im Schmelztiegel New Yorks. Lone Scherfigs brillant inszeniertes Drama eröffnete die diesjährigen Internationalen Filmfestspiele von Berlin

Mitten im Winter flieht die von ihrem Ehemann misshandelte Mutter Clara (Zoe Kazan) mitsamt ihrer zwei Söhne in den Schmelztiegel New York und hofft hier auf eine Bleibe. Um sie herum geht das Leben vieler anderer New Yorker seinen Gang. Da ist zum Beispiel Marc (Tahar Rahim), ein ehemaliger Gefängnisinsasse, der nach seiner Entlassung plötzlich wieder neu lernen muss, wie es ist, frei zu sein. Die Krankenschwester Alice (Andrea Riseborough) dagegen findet ihre Bestimmung in einer bestimmten Art von Therapie. Der Arbeitslose Jeff (Caleb Landry Jones) verzweifelt dagegen am New Yorker Arbeitsmarkt. Etwas, worüber sich der erfolgreiche Rechtsanwalt John Peter (Jay Baruchel) zwar nicht beschweren kann, dafür verfolgen ihn solche Selbstzweifel, dass er schon bald wie Jeff enden könnte...

„The Kindness of Strangers“ fühlt sich in gewissem Maße trotzig an. Wenn Lone Scherfig ihre hier präsentierten Charaktere derart eindimensional formt, dass man sie einzig und allein über ihren Zweck innerhalb der Story definieren kann, scheint es, als würde sie dem Zuschauer nicht mehr zutrauen, als abgegriffene Stereotype. Gleichsam kreiert sich aus den vielen hier involvierten Figuren so etwas ein wie einen großer Hauptcharakter – sie alle verkörpern die Stadt New York mit ihren verschiedenen Menschen. Sicherlich auch kein neues Bild, aber doch eines, das beweist, dass Scherfig weiterdenkt. Inszenatorisch kann sich „The Kindness of Strangers“ uneingeschränkt sehen lassen. Kameramann Sebastian Blenkov („Die Erfindung der Wahrheit“) findet für die dramatischen Schicksale der verschiedenen New Yorker elegant-schwelgende Bilder in noblen, warmen Farben, die dem Film im Alleingang zu Leinwandausmaße verhelfen. Dass er sich dabei trotzdem auf einen durchscheinenden Realismus konzentriert, anstatt einfach nur irgendeinen Farbfilter auf die Bilder zu klatschen, unterstreicht den Anspruch Scherfigs, gleichermaßen der Überstilisierung zu frönen und letztlich eben doch „nur“ eine Geschichte aus dem Leben erzählen zu wollen.

DK/CAN/SWE/FR/DE/UK/USA 2019
Regie: Lone Scherfig
Darsteller: Andrea Riseborough, Caleb Landry Jones, Zoe Kazan, Bill Nighy, Jay Baruchel, David Dencik, Tahar Rahim
102 Minuten
ab 12 Jahren

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